Die DB Systel hat zusammen mit Microsoft und EnOcean das Venture IoT/M2M Office in Hamburg an nur einem Tag mit batterielosen Funksensoren ausgestattet und über die DB IoT Cloud vernetzt.* Wir haben mit Jörn Petereit, Head of  IoT/M2M, DB Systel GmbH und Armin Anders, Vice President Business Development, EnOcean GmbH über die Möglichkeiten des Internets der Dinge gesprochen.

  • Wie kam das IoT-Projekt von DB Systel und EnOcean zustande?

Jörn Petereit: Wir sind mit unserem IoT-Bereich erst vor Kurzem in eine neue und größere Bürofläche gezogen. Schnell kam die Idee auf, dass wir auch in unserer direkten Arbeitsumgebung einige IoT Use Cases auf Basis der DB IoT Cloud, der zentralen Internet of Things-Plattform der Deutschen Bahn, realisieren wollten. In unserem IoT Lab wollten wir von Anfang an ein modernes Arbeitsplatzkonzept für flexibles Arbeiten etablieren. Insbesondere interessierten uns die Themen Optimierung der Raumnutzung und Verbesserung der Raumqualität durch Sensorik.

Armin Anders: Die Sensorik sollte modular und flexibel sein, genau das, was batterielose EnOcean-Sensoren leisten. Der gemeinsame strategische Partner Microsoft hat deshalb EnOcean als Lösung empfohlen.

Jörn Petereit: Genau. Und da wir auch das Ziel hatten, Azure IoT in der DB IoT Cloud verfügbar zu machen, konnten wir gleich mehrere Ziele verbinden.

  • Wie wichtig sind Partnerschaften für den Erfolg des IoT?

Jörn Petereit: Partnerschaften sind maßgeblich für den Erfolg entscheidend. Die Deutsche Bahn hat eine große Anzahl ganz unterschiedlicher IoT Use Cases über die Geschäftsfelder. Wenn wir jetzt IoT komplett aus einer Hand liefern wollten, dann wäre eine unglaubliche Fertigungstiefe und Vielfalt notwendig. Das können sich die wenigsten Unternehmen sowohl zeitlich als auch finanziell leisten. Technologisch fahren wir deshalb die Strategie, dass wir mit der DB IoT Cloud einen Best of Breed-Ansatz fahren, um marktführende IoT-Technologie von Partnern für den Konzern verfügbar und kombinierbar zu machen. In Eigenentwicklungen und Erweiterungen investieren wir nur dann, wenn wir uns davon Innovations- und Wettbewerbsvorteile oder Optimierungspotenziale, z.B. im Betrieb oder in der Skalierung, versprechen.

Armin Anders: IoT ist komplex. Jeder kennt die Schaubilder mit vielen Wolken, die Infrastruktur, Sensorik etc. darstellen. Die Systeme sind nicht endgültig definiert, sondern haben ganz unterschiedliche Anforderungen an die Systemarchitektur, die Komponenten und die jeweilige Anwendung. Will ich die Raumnutzung erfassen, den Reinigungsservice besser organisieren oder geht es um Hilfe im Alter? Hinzu kommen unterschiedliche Kommunikationskanäle wie WLAN, LAN, LTE etc. und viele Player, die sich auf dem Markt positionieren. Das sind alles ganz unterschiedliche Ansätze. Die Lösungen müssen daher extrem flexibel und modular sein. EnOcean ermöglicht mit batterielosen Funklösungen hoch flexible Komponenten bis zum Gateway. Danach sind es unsere Partner, die die Gateway-Anbindung und die Cloud-Infrastruktur zur Verfügung stellen. IoT funktioniert nicht ohne Partnerschaften.

  • Warum sind batterielose Sensoren im IoT wichtig?

Armin Anders: Wir lesen es fast täglich in verschiedenen Studien: Das Internet der Dinge benötigt Milliarden von Sensoren, um die nötigen Daten in Echtzeit zu erfassen. Selbst bei nur einer Batterie pro Sensor ist es bei dieser Menge ein Ding der Unmöglichkeit, ständig die Batterien zu wechseln. Frühausfälle oder kurze Batterielaufzeiten machen den Zeitpunkt des Austauschs unkalkulierbar und beeinträchtigen die Zuverlässigkeit des Systems und zwar von Anfang an. Der Personalaufwand und die Kosten stünden in keinerlei Verhältnis mehr zum eigentlichen Nutzen. Auch ökologisch ist ein solcher Berg Batteriemüll unverantwortlich und alles andere als ressourcenschonend. Und nicht immer sind Sensoren frei zugänglich. Sind sie fest verbaut, zum Beispiel in Möbeln, kommt man gar nicht mehr ran, um Batterien auszutauschen. Aus allen diesen Gründen funktioniert ein nachhaltiges IoT nur mit kabel- und batterielosen Sensoren.

Jörn Petereit: In vielen Gebäuden ist eine Stromversorgung nicht immer gegeben oder muss erst kostenintensiv hergestellt werden. Batterielose Sensoren eignen sich besonders für ein unkompliziertes Nachrüsten ohne z.B. in die Gebäudeinfrastruktur groß eingreifen zu müssen. In unserem IoT-Projekt, zur Vernetzung der Büroflächen, reichte zum Beispiel Montageklebeband.

  • Was kann IoT für Gebäude leisten?

Jörn Petereit: IoT kann die Effizienz und den Komfort in Gebäuden steigern sowie auch die Gebäudefunktionen personalisieren. Klassiker sind hier die automatische Übermittlung von Verbrauchswerten oder das Ausschalten der Heizung/Klima bei Nichtnutzung von Räumen. Spannender ist da schon die Personalisierung in Gebäudesystemen. Durch eine intelligente Vernetzung und Gebäudesteuerung können Funktionen wie Heizung, Jalousien, Klima oder Beleuchtung so gesteuert werden, dass komfortable Lebens- und Arbeitsumgebungen entstehen. Studien belegen, dass durch eine personalisierte Gebäudesteuerung in Büroräumen z.B. die Arbeitsproduktivität steigt.

Armin Anders: Die klassischen Einzelgewerke wie Heizung, Klima, Licht, Beschattung, Sicherheit, Multimedia, Komfort und Dienstleistungen wachsen im IoT miteinander zusammen. Es entstehen neue Anwendungen wie das Raumnutzungsmanagement, die gleichzeitig neue Dienstleistungen, zum Beispiel Flächenoptimierung, Nutzungsoptimierung und Wartung etc., generieren. Durch drahtlose Sensoren lässt sich das auch sehr einfach bei Bestandsgebäuden umsetzen – und das sind über 99% aller Gebäude.

  • Welche Vorteile ergeben sich für Nutzer, Gebäudebetreiber, Anbieter von IoT-Systemen?

Armin Anders: Früher war das klassische Geschäftsmodell der Anbieter: Ich verkaufe Hardware für die Steuerung. Heute im IoT verkaufen sie vor allem Dienstleistungen, beispielsweise 20 % Energieeinsparung. Die Komponenten werden inzwischen auch über Contracting-Modelle finanziert. All das verändert den Markt, die Anbieterstruktur und auch die Anwendungsmöglichkeiten – und führt zu neuen Vorteilen für alle Beteiligten.

Jörn Petereit: Wichtig zu verstehen ist hier, dass IoT alleine kein neues Geschäftsmodell ist oder von alleine ein Kundenproblem löst. Vielmehr sollte IoT als Enabler-Technologie für die erfolgreiche Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle verstanden und eingesetzt werden. Für Nutzer eröffnet sich durch IoT eine neue Art, Leistungen zu beziehen, die sich deutlich mehr an dem eigentlichen Nutzen/Outcome und im besten Falle im B2B-Bereich dem Geschäftsmodell des Nutzers orientiert. Für Gebäudebetreiber eröffnet IoT zahlreiche Wachstumsmöglichkeiten durch den Ausbau bestehender Monetarisierungsansätze sowie der Erschließung neuer Erlösquellen (siehe auch: Fünf Geschäftsmodelle zur Monetarisierung von IoT-Produkten). IoT kann helfen, sich als Gebäudebetreiber vom Wettbewerb zu differenzieren, indem z.B. zusätzliche digitale Services, eine höhere Transparenz der Gebäudefunktionen (Condition Monitoring) und eine höhere Effizienz (Predictive Maintenance) angeboten werden. Auch „Gebäudefunktionen-as-a-Service“ sind denkbar. Anbieter von IoT-Systemen haben die Chance, ein fester Bestandteil der Wertschöpfungskette ihrer Kunden zu werden und damit eine neue Art der Kundenbeziehung/-bindung zu erreichen.

  • Wie wird das IoT z.B. unseren Büroalltag verändern?

Jörn Petereit: IoT wird die Art und Weise verändern, wie wir Büroflächen in Zukunft nutzen. Unsere Büroarbeitsplätze werden sich immer mehr zu „Smart Workspaces“ entwickeln und IoT wird hier im Hintergrund z.B. bei der Raumbuchung wirken. In unseren Räumen in Hamburg versuchen wir IoT fest zu integrieren, um Kreativität und Innovationen zu fördern. Als positives Beispiel ist hier Microsoft mit seinem „#worklifeflow statt Work-Life-Balance“ zu nennen.

Armin Anders: Genau, im Büro geht es in erster Linie um ein angenehmeres Arbeitsklima. Der Mitarbeiter soll sich wohl fühlen. Das stärkt die Mitarbeiterbindung und erhöht die Arbeitsproduktivität. Immer mehr Firmen erkennen das und wollen sich in Räumen einmieten, die durch entsprechend intelligente Informationsbereitstellung und Steuerung eine Wohlfühlatmosphäre schaffen. Der Mitarbeiter wird den Mehrkomfort bewusst wahrnehmen, aber durch geschickt verteilte Sensorik nicht die Technik des IoT selbst. Das schafft Akzeptanz über den Faktor Wohlfühlen.

  • Wo geht die Reise in den kommenden zehn Jahren hin?

Jörn Petereit: Auf dem Anbietermarkt von IoT-Systemen werden wir eine massive Konsolidierung erleben. Viele Hersteller, die heute noch eigene IoT-Plattformen entwickeln, werden entweder ihre Plattformen massiv öffnen und/oder auf die großen Player der Branche wie z.B. Amazon oder Microsoft migrieren. Jedes größere Unternehmen wird sich immer mehr zu einem Softwareunternehmen entwickeln, da zum einem die Digitalisierung softwaregetrieben ist und die Differenzierung bzw. der eigentliche Produktnutzen in Zukunft Softwarecode sein wird. IoT wird auf fast alle Aktivitäten der Wertschöpfungskette im Hintergrund enormen Einfluss ausüben und wir werden deutlich weniger über IoT reden, da es sich zum festen Bestandteil unseres Alltags etabliert hat. IoT und KI-Technologien werden verschmelzen und für ein neues Maß an Automatisierung in unserer Gesellschaft sorgen.

Armin Anders: Dem kann ich nur zustimmen. Automatisierung im Gebäude wird genauso zum Standard und für uns selbstverständlich werden, wie sie es schon heute in unseren Autos ist. Im Gebäude aber vor allem mit batterieloser Sensorik, die modular, wartungsfrei und leicht nachrüstbar ist.

Vielen Dank, Herr Petereit und Herr Anders für diesen Einblick.

*Das IoT-Projekt im Venture IoT/M2M Office in Hamburg beschreibt Jörn Petereit in seinem Beitrag Smart Building: Batterielos ins Internet der Dinge auf LinkedIN Pulse.

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